Freitag, 5. November 2010

Die Tattoos und ich - eine Liebe fürs Leben

Tattoos sind meine Leidenschaft.
Sie begleiten mein Leben, beschreiben, dokumentieren es, treiben mich an, fordern mich heraus. Sie geben mir Trost und bewahren Wichtiges vor dem Vergessen, sie machen mir Mut und erinnern mich an das, was wichtig ist. Meinen Körper begreife ich als Leinwand, als Spiegel meines Inneren. Und so sind meine Tattoos auch nie Mode oder einzig als Verschönerung gedacht. Jedes meiner Bilder, die dich ich offen zeige und auch die, die verborgen bleiben - unter den Haaren auf meinem Kopf zum Beispiel - spiegelt einen Aspekt meines Lebens; ein in die Haut gestochenes Denkmal. Natürlich ist es auch Kunst und ich begreife mich als Künstlerin, in verschiedener Hinsicht. Ich male und forme, ich fotografiere und designe,  ich schreibe und ich zeichne und all das liebe ich von ganzem Herzen. Keine künstlerische Ausdrucksform ist aber so bewegend, fordernd, berührend, fesselnd und monumental wie das Tattoo.

Als ich mein erstes Tattoo stechen ließ, traute ich mich nur ansatzweise, meine eigene Gestaltung einzubringen. Ich war (endlich!) 18, zeichnete seit vielleicht 3-4 Jahren Tattoos. Der Tätowierer war um die 40, erfahren und begabt - was hatte ich da zu melden?! Aber dennoch traute ich mir zu, mit ihm zusammen ein paar Änderungen an der Vorlage vorzunehmen, in die ich mich verliebt hatte. Einmal unter meiner Haut liebte ich jeden Pixel, jedes Quäntchen Farbe und das tue ich noch heute. Keine Sekunde habe ich es bereut. Seitdem sind ein paar Bilder hinzugekommen, allerdings bei weitem nicht so viele, wie ich es gern hätte. Geld ist ein nicht unwesentlicher Faktor und da ich als mit nichtmal 30 berentet nicht gerade reich bin muss ich viel Geduld haben und sehr hart sparen - leider!!! Oft sehne ich mich schon beinahe schmerzlich nach einem Tattoo lange bevor ich es umsetzen lassen kann und wenn ich die vorgesehene Stelle lang genug betrachte, sehe ich es schon beinahe. Das hat aber auch sein Gutes. Denn die Tattoos, die ich dann letzendlich stechen lasse, sind "gereift".

 Das erste Tattoo auf fremder Haut...
Als zum ersten Mal ein Tattoo aus meiner Feder auf jemand anderen Haut gestochen wurde, war ich zu Tränen gerührt und verängstigt, fühlte mich auf das Höchste geehrt und konnte dieses Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten kaum fassen. Dabei kam dieses Tattoo heraus: Die Essenz der Dinge die seiner Trägerin von größter Bedeutung sind, angepasst auf ihren Oberarm und umgesetzt als Tribal-Mix. Beim Stechen durfte ich dabei sein. Ich war zu gleichen Teilen begeistert, fasziniert, dieses Bild, an dem ich etwa 3 Wochen gearbeitet hatte, wieder auf ihrer Haut entstehen zu sehen und ebenso atemlos verängstigt, weil ich es nicht ertragen hätte, wenn ihr auch nur irgendetwas nicht gefallen hätte - selbst wenn es der Fehler des Tätowierers gewesen wäre und nicht meiner! Aber alles ging gut. Und ich bin noch heute sehr sehr stolz auf diese Arbeit, weil ich weiß, dass ihre Besitzerin noch nach Jahren glücklich damit ist und es ihr viel bedeutet.

Aus Spaß an der Freude...
...zeichne ich natürlich auch. Auf Parties ist das immer klasse. Gebt mir einen Fineliner, einen Kuli oder Edding und am Ende sind ein paar nette Kleinigkeiten oder ganze Freihand-Tribal-Ärmel entstanden. So entstand auch dieses kleine Teil. Der Stift war etwas zu flüssig und das Bild wurde mit de Handy gemacht, aber ich denke, es ist dennoch erkennbar...

Diese Art des Entwerfens mag ich sehr. Mancher "Gib-mir-deinen-Arm-ich-mach-mal-ne-Skizze"-Entwurf führte schon zu einer reifen Tattoo-Idee. Damit habe ich schon als Teenager angefangen, an meinen eigenen Beinen und Armen und an denen von Mitschülern und Freunden. War immer gut für Gesprächsstoff. Und einige Jahre später lernte ich so meine Frau kennen. Wir kamen über meine Tats ins Gespräch und sie wollte mir einfach nicht glauben, dass ich sie selbst entworfen hatte. Gott wollte es wohl so, es lag "zufällig" ein Edding auf dem Tisch. Ich griff danach und wandte mich zunächst an ihren besten Freund, der noch ungläubiger reagiert hatte. "Gib mir deinen Arm, ich beweis es dir!" An dem Tag hatte ich wohl eine Extraportion Mut intus. Er überließ mir seinen Arm und ein paar Minuten später wand sich ein flammendes Tribal über seine Unterarmmuskeln hinauf zum Bizeps. Ha! Zwei paar große Augen und zwei offene Kinnladen waren mein Lohn. Ich strahlte. Und bekam mehr, als ich bestellt hatte als meine spätere Ehefrau mir anschließend ihr hübsches Dekolletée als Leinwand anbot. Nun war es meine Kinnlade die runterklappte und mein Hände zitterten ordentlich, als ich den Stift ansetzte um ein florales Tribal zu entwerfen. Es kann wohl so schlecht nicht gewesen sein - ein Jahr darauf waren wir verheiratet... ;o)

Meine Frau war es auch, die mich anstiftete, die Ausbildung zur Tätowiererin zu machen. Etwa 2 Jahre ging ich mit dieser Idee Schwanger und entschied mich dann dagegen. Ich bin Epileptikerin und wenn ich beim Zeichnen mal zucke, kann ich radieren. Beim Stechen zu zucken wäre ein Fiasko. Früher hat es mich geschmerzt, die Ausbildung nie machen zu können, ich musste damit fertig werden, um diese verbaute Chance trauern... Meinen Tiefpunkt erreichte ich, als ich mich vor ein paar Jahren mit einer Tätowiererin auf einer Convention unterhielt und ihr meine Mappe zeigte. Sie nahm sie in der Luft auseinander. Ich kann mit Kritik umgehen solange sie nicht verletzend oder gleichgültig ist. Die Kritik damals war beides. Die professionelle Tätowiererin war der Ansicht, kaum eines meiner Bilder tauge zum Tattoo, sei zu klein, zu detailliert, sowas könne man nicht stechen und ob ich diese Ausbildung wirklich machen wollte, sollte ich mir gut überlegen, denn ich müsste noch soooooo viel lernen und so würde mich keiner ausbilden. Danke auch! Ich hörte danach beinahe auf zu zeichnen. Dass anderen Tätowierern auf der selben Convention meine Entwürfe gefallen hatten, dass sie vielen "Laien" gefielen, dass sogar schon Entwürfe von mir erfolgreich umgesetzt waren, all das vergaß ich. Ich war niedergeschmettert.


Etwas später kam mir ein schrecklicher Todesfall "zur Hilfe". Ein Kind, das mir sehr nahe stand, starb. Ich konnte es nicht ertragen - und fing wie im Zwang wieder an zu zeichnen. Ich ließ mir eine der Zeichnungen tätowieren, setzte meiner Trauer und dem Kind ein Denkmal und überwand den Schmerz - den des Verlustes, aber auch, ohne es damals zu realisieren, den der Abwertung und Ablehnung.

Dann traf ich Chris Garver in Essen. Er gab dort eine Autogrammstunde und zu meiner größten Freude kamen wir ins Gespräch und als gerade kaum noch Gäste kamen hatte ich ihn für etwa eine dreiviertel Stunde "für mich". Wir zeichneten zusammen, er gab mir Tips und während er Autogramme gab, zeichnete ichmit Kuli und wackelig mit einem Buch auf meinen Knien als Unterlage diesen Sketch für ihn. Er freute sich und ich war stolz, dass er dieses kleine Geschenk annahm. Er ist ein grandioser Künstler und, was ich noch viel lieber über ihn sagen möchte, ein bemerkenswerter Mensch. Herzlich, authentisch, freundlich, aufgeschlossen und intelligent. So habe ich ihn kennengelernt. Er behandelte mich wie ebenbürtig, wie eine andere Künstlerin, nicht, was ich irgendwie erwartet hatte, wie ein nettes Mädchen, das als Fan auf ihn zukommt und meint: Du, ich male auch, toll, oder? Er nahm mich ernst, lobte meinen Stil und kritisierte meine Zeichnungen ebenso ehrlich und wohlwollend. Als ich damit herausplatzte, wie sehr ich ihn beneidete, all die wunderbare Kunst, die er machte auch selbst auf Haut - dem wertvollsten aller Maluntergründe - verewigen zu können und "beichtete", dass mir das meiner Behinderung wegen verwehrt sei, tröstete er mich mit Worten, die ich nie vergessen werde: Das stechen, sagte er, sei Handwerk. Die eigentliche Kunst aber sei das Herstellen des Tattoos. Ich hätte den besseren, wichtigeren Teil und sollte mich nicht grämen, dass mir das Handwerk fehlte. Ich war tief berührt und beeindruckt und dankte ihm von Herzen. Letztes Jahr traf ich ihn wieder, auf der Convention in Dortmund. Er erinnerte sich noch ein bisschen an mich und fragte nach, wie es mir gehe und ob ich noch zeichnen würde. Ja, natürlich - nicht unwesentlich deinetwegen! Danke, Chris - und meine ewige Verbeugung vor einem der genialsten Tattoo Artists seiner Zeit!

Nach dieser inspirierenden Begegnung - und noch einiger anderer mehr, denn vielen lieben Menschen schulde ich Dank für Inspiration - konnte ich auch wieder Auftragsarbeiten machen. Wie diese:

Vom Sketch zum Tattooentwurf.


Nun habt ihr einen kleinen Überblick über mein "Tattoo-Leben" erhalten. Wenn ihr noch was wissen möchtet - her damit! Ab nächstem Jahr nehme ich übrigens auch wieder Auftragsarbeiten an, zumindest solche die kleiner sind als ein Ärmel... ;o)

2 Kommentare:

  1. Liebes,
    ich bin froh, dass du dich nicht entmutigen hast lassen. Es wäre ewig schade um dein Talent, dass auch mir eines Tages zu Gute kommen wird (hoffe ich) ;-)

    Ganz liebe Grüße
    nima

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  2. Liebe Mary,
    herzlichen Dank für deinen lieben Kommentar bei mir. Ich bin immer sehr erfreut über solche persönlichen Feedbacks. Natürlich darfst du mich verlinken.
    Dein Profil finde ich sehr sehr interessant und beim Stöbern in deinem Blog ist mir gleich die Puzzlesortierhilfe aufgefallen - super Idee.
    Liebe Grüße
    Nicole

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